Die Beziehung zwischen Fotograf und Modell ist essentiell, wird aber in Gesprächen oft überhöht dargestellt. Viele Fotografen behaupten, dass sie die Persönlichkeit des Fotografierten herausarbeiten würden, ihn so zeigen, wie er sei. Naja, nice try, aber das folgende Video zeigt es ganz gut: Zum Portrait gehören immer mindestens zwei, das Model und der Fotograf. Als drittes Element kann man hier ganz deutlich die Geschichte um den Portraitierten ausmachen, den Kontext. Daher sollte man als Fotograf vielleicht sogar noch oberflächlicher an ein Porträt herangehen, einfach hinschauen, wie jemand aussieht. Wirklich aussieht, denn dann entdeckt man (ich zumindest) immer wieder tolle Details in den Gesichtern, die jedes Bild eben einzigartig machen.
Nur darf man nicht erwarten, in der kurzen Zeit, in der man zu einem Foto zusammenkommt, die dem Fotografierten eigene Persönlichkeit herausdestillieren zu können. Denn man hat ja nur einen kurzen Moment. Und mein Job ist es, den richtigen Moment zu erwischen. Der, in dem man gut aussieht und sich wieder erkennt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Den Fotografen in dem Video "DECOY - A portrait session with a twist" wurde von Canon Australia auch etwas übel mitgespielt, denn das Modell Michael wurde ja auch explizit in einem Kontext vorgestellt. Besser wäre gewesen, dies zu unterlassen und die Fotografen herausfinden zu lassen, was es mit ihm auf sich hat. Michael hätte dann die unterschiedlichen Legenden erzählen können. Denn ich möchte nicht ausschließen, dass sich der eine oder andere Kollege entscheiden hätte, einfach den Menschen Michael zu fotografieren. So wie er nun einmal aussieht, ohne Konnotationen herstellen zu wollen, eine Metaebene im Bild zu konstruieren.
Ich persönlich finde, dass man durchaus oberflächlicher an Portraits herangehen sollte, denn das ist es ja, was ich zu erst habe. Ein Gesicht, eine Fassade… alles Weitere kommt dann beim Fotografieren, das verläuft ja nicht schweigend.
Im Idealfall hat man ja auch etwas Zeit, trinkt erst einmal etwas zusammen, lernt sich ein wenig kennen. So kann sich jeder dem Fotografen so präsentieren, wie er möchte und damit seinen Beitrag zum Bild beitragen, den Fotografen vielleicht sogar ein wenig manipulieren. Was aber je nach Aufgabenstellung auch gewollt sein kann. An der Stelle muss der Fotograf Fingerspitzengefühl haben.
Wie dem auch sei, es ist ein ganz gutes Lehrstück, welches zu eigenen Gedanken zu dem Thema anregt. Vielleicht mag ja jemand in einen Kommentar seine Meinung dazu abgeben?